Stadtrat Sehnde votiert mehrheitlich für das Gewerbegebiet Sehnde-Ost

Lang erwartet und mehrfach verschoben: Am vergangenen Donnerstag, 24.06.2021, stand nun die endgültige Abstimmung über den Satzungsbeschluss zum Baugebiert Sehnde-Ost im  Rat der Stadt Sehne an. In die Mensa waren dazu 30 Mitglieder des Stadtrates gekommen, um sich ihrer Verantwortung für die Entscheidung zu stellen. Es fehlten unter anderen zwei Mitglieder der AfD-Fraktion, die Wolfgang Ostermeyer mit dringlichen anderen Terminen entschuldigte. Auch rund 40 Mitglieder der Bürgerinitiative gegen das Gewerbegebiet waren erschienen, um der Schlussabstimmung beizuwohnen und zu hören, wie das Votum am Ende ausfiel.

Viele Besucher zur Sitzung
Max Digwa sprach für die SPD zum Gewerbegebiet – Foto: JPH

Die Mensa der KGS konnte erwartungsgemäß die Anzahl der Personen nach den Corona-Regeln nicht aufnehmen, weshalb die Stadtverwaltung Sehnde dieses Mal eine vernünftige Außenbeschallung installiert hatte. Und die Diskussion des Stadtrates zum Thema ging ohne wesentliche Störung vonstatten. Noch während die Debatte in der Mensa lief, dünnte sich die Schar der Zuhörer außen aus.

Umfangreiche Aussprache mit Pro und Contra

Die Debatte eröffnete Max Digwa für die SPD-Fraktion, die dieses Mal nicht als Gruppe mit den Grünen auftrat. Er wies darauf hin, dass Sehnde als Stadt Flächen für Gewerbe auswerfen müsse, um Einnahmen zu generieren – durch Arbeitsplätze und Steuern. „Darauf“, so Digwa, „basiert auch die Planung, die seit 2018 beraten und beschlossen wird für den Bereich. Erst sollte dort ein Getränkelogistiker hin, dann übernahm die Firmengruppe Engler. Darauf erfolgte keine Reaktion!“ Die Hallen von Delticom und dem Nebenmieter, so betonte er, versiegelten weniger Fläche als viele kleine Betriebe. Der jetzige Investor habe zudem alle Vorgaben und Auflagen der Stadt erfüllt, die gegenüber dem Getränkelogistiker noch einmal verschärft worden waren. Am Ende, so der Fraktionsvorsitzende, sehe er „keine Alternative zu dem Gewerbegebiet und dem Nutzer“, zumal es für die nördliche Fläche noch nicht einmal Anfragen vom Kleingewerbe gäbe.

Der für die Grünen im Stadtrat aktive Wilfried Brauns hielt eine sehr emotionale Rede für den Natur- und  Klimaschutz und gegen die Nutzung von Sehnde-Ost. Er betonte, dass man auf der Tagesordnung am Donnerstag rund 30 Hektar landwirtschaftliche Fläche versiegele.  Zudem seien Rethmar West, Chausseestraße, Maschwiese Süd und Kleines Öhr auch gerade erst bebaut worden. „Der  Verlierer“, so Brauns, „ist wie immer der Klima- und Naturschutz.“ Außerdem verwies er auf das BGH-Urteil zum Klimaschutz und die Folgegesetze aus Berlin sowie auf den „niedersächsischen Weg“. „Ich kann es nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, für dieses Gewerbegebiet Sehnde-Ost zu stimmen,“ sagte er sichtlich bewegt. „Wir haben es nicht mehr fünf vor zwölf, ösender bereits fünf nach zwölf!“

Entscheidung nicht leicht gemacht
Jonas Renz blickte auf die Flächenversiegelung – Foto: JPH

Klaus Hoffmann, Fraktionschef der CDU, betonte eingangs seines Statements, dass man hier über ein Gewerbegebiet abstimme und nicht über einzelne Firmen dort. Auch regte er an, die vielen geheim beratenen Punkte im Verwaltungsrat auf die Notwendigkeit zu prüfen, ob sie denn wirklich alle dort richtig aufgehoben seien. Nur durch öffentliche Debatte könne man breites Verständnis für die Politik erreichen. „Wir haben intensiv geprüft, abgewogen und bewertet. Zahlen wurden dabei sehr unterschiedlich bewertet – auch gelegentlich falsch – aber am Ende lief die Aufstellung des Bebauungsplanes korrekt und nach Recht und Gesetz“, so Hoffmann. „Und bei allen Berechnungen der finanziellen Vorteile für die Stadt wurde zudem immer die Grundsteuer unterschlagen.“ Auf dem Gelände war zudem immer ein Gewerbegebiet vorgesehen, das heißt eine Versiegelungszahl von 0,8  – und nun sind es nur 0,6 . „Und das ist der AfD und den Grünen noch zu viel? Der Bau einer großen Turnhalle ja, den eines Gewerbes aber nein? Das ist inkonsequent“, sagte er. Und die Rückabwicklung wäre zudem ein Finanz- und ein Vertrauensschaden für die Stadt.

In seiner folgenden Stellungsnahe zur Ablehnung durch die AfD ging Wolfgang Ostermeyer auf dieses Argument ein und bezweifelte die noch nicht kalkulierten Kosten einer Rückabwicklung an. Er bewertete die Verkehrszunahme über die nächsten zehn Jahre generell als nicht abschätzbar und betonte, dass die Logistikansiedlung 2016 so nicht geplant gewesen sei.

Jonas Renz sprach als FDP-Ratsmitglied und wies mit Blick auf die BI darauf hin, dass sich niemand im Gremium die Entscheidung leicht machen werde, doch dass man den Respekt voreinander nicht verlieren dürfe. Wenn man Flächenversiegelung ablehne, dürfe dies nicht nur für das Baugebiet Sehnde-Ost gelten, sondern müsse auch die Entwicklung der anderen Gebiete, darunter auch in Rethmar, ablehnen.

Blick zurück in die Entwicklung
Edgar Bäkermann führte den Blick zurück in die Zeit des KES-Baus – Foto: JPH

Als zweiter Grüner sprach Fraktionsvorsitzender Günter Pöser, der auf die unterschiedlichen Meinungen hinwies, die es auch bei den Grünen in der Stadt Sehnde gäbe. „Aber man will und soll in Sehnde wohnen, deshalb müssen wir auch Wohn- und Arbeitsflächen entwickeln. Das Gewerbegebiet Borsigring ist voll und das Gewerbegebiet Sehnde-Ost liegt ideal daran anschließend. Dass HRG aber nun Delticom als Nutzer holt, war nicht abzusehen. Logistik gehört eben an die Autobahn.“

Bernd Ostermeyer sprach in seinem persönlichen Statement davon, dass die umwelt- und energieschonenden Maßnahmen in der Planung der Engler-Gruppe eher keine besondere Planung seien, sondern Standard sind, damit überhaupt jemand die Hallen miete. Er verwies auch auf den gerade in Betrieb gegangenen Mega-Hub in Lehrte, der seinen Angaben zufolge rund 250 000 Lastwagen pro Jahr mehr generieren werde.

Zum Abschluss sprach Edgar Bäkermann, der aus seiner langjährigen Zeit als Ratsherr auf die Entwicklung des Gebietes einging. So sei es merkwürdig, dass „der ehemalige Flächenbesitzer heute behaupte, dass er damals beim Tausch über den Tisch gezogen worden sei. Er sollte es besser wissen.“ Und er fügte hinzu, dass hier nichts im stillen Kämmerlein ausgebrütet wurde, wie viele behaupteten. Außerdem fände er es erstaunlich, dass bei dem umgekehrten Weg in Dolgen, wo bebautes Land in Ackerfläche verwandelt würde, niemand davon Kenntnis nehmen wolle.

Am Ende war die Mehrheit für das Gewerbegebiet Sehnde-Ost – Foto: JPH
Deutliche Mehrheit für den Vorschlag

Nach Schluss der Rednerliste nach rund einer Stunde ließ die Ratsvorsitzende Dr. Silke Lesemann dann über die Vorlage zum Bebauungsplan Nr. 355 – Gewerbegebiet Sehnde-Ost – abstimmen. Dabei ergab sich eine deutliche Mehrheit von 23 Ja-Stimmen gegenüber sieben Nein-Stimmen bei keiner Enthaltung für den Satzungsbeschluss. Damit ist das Gewerbegebiet Sehnde-Ost endgültig durch den Rat beschlossen.

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