DGB Kranzniederlegung am Gedenkstein des ehemaligen Durchgangslagers

Kurzfristig entschlossen sich die Kolleginnen und Kollegen des DGB-Ortsverband Lehrte am 8.  Mai der Befreiung der Konzentrations- und Arbeitslager und dem Ende des Krieges zu gedenken. „Wir haben uns in letzter Minute überlegt, den 75. Jahrestag der Befreiung auch in einer Krisenzeit wie dieser, in der die Corona-Pandemie allgegenwärtig ist und es tagtäglich um die aktuellsten Infektions- und Todeszahlen geht, in einer Zeit, in der es tagtäglich um die wachsenden existentiellen Sorgen vieler Menschen in unserem Land geht, nicht verstreichen zu lassen“, erklärt der DGB Kreisvorsitzende Reinhard Nold.

Reinhard Nold, Dirk Kühn, Harald Paslawski, Klaus Bittner und Brigitte Müller (v.li.) bei der Gedenkrede – Foto: DGB

Kranz zum Gedenken und gegen Faschismus

Eine Delegation von sechs Teilnehmenden legte ein Gesteck mit dem Schleifenaufdruck „Nie wieder Faschismus“ an dem Gedenkstein des ehemaligen Durchgangslagers (Dulag) in der Industriestraße in Lehrte nieder. Das Durchgangslager nahm Ende Juli 1942 seinen Betrieb auf. Es bestand aus 34 Holzbaracken, die von einem Stacheldrahtzaun umgeben waren. Etwa 700 000 Personen wurden bis zur Befreiung durch dieses Lager geschleust. 800 bis 1500 Zwangsarbeiter sollen dauernd dort gelebt haben. Sie arbeiteten entweder im oder außerhalb des Lagers in der Industrie und der Landwirtschaft. Von Anfang 1943 bis Ende 1944 starben dort 110 Menschen. 1944 wurden im Lager 19 Kinder geboren. Einige Kinderleichen wurden auf dem Lagergelände verscharrt. Nach der Befreiung wurde das Lager für die Unterbringung von über 900 Vertriebene weiter genutzt. Heute befindet sich auf dem Gelände ein Werk der Firma Miele.

„Zwangsarbeiter waren in Lehrte allgegenwärtig“, sagte Nold. In der Villa Nordstern habe es ebenso welche gegeben wie in Erichssegen, auf dem heutigen Gelände der Tennisanlage am Sauerweg. Außerdem im ehemaligen Reichshof im alten Dorf, an dessen Stelle jetzt der neue Netto-Markt errichtet wurde, und dem Gewerkschaftshaus, das in den 70er Jahren einem Neubau weichen musste. Dort ist heute die Sozialstation in der Burgdorfer Straße untergebracht.

Kranz und Gedenkstein in der Industriestraße – Foto: DGB

Gewerkschaft wurde bereits 1933 „übernommen“

Das Gewerkschaftshaus hatten die Nazis schon 1933 gestürmt, in die Naziorganisation „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) übernommen und Gewerkschaftsmitglieder in Konzentrationslager gesperrt. Dort wurden sie gefoltert, ermordet, in den Tod und in die Emigration getrieben. „Ihr Leben ist uns Zeugnis einer demokratisch ethischen Grundhaltung, die uns mit Achtung und Demut erfüllt. Auch mehrfache Verhaftungen, Gewalterfahrungen, Schikanen und ständige Todesdrohungen konnten sie nicht davon abhalten, für ihre Überzeugungen und Werte einzutreten. Für Werte, die auch heute noch für uns handlungsleitend sind: Freiheit, Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Solidarität“, so Nold in seiner Ansprache.

Mit der Kranzniederlegung wollen die Gewerkschafter den Menschen, die in Lehrte leiden mussten, gedenken und gleichzeitig gegen Vergessen und gegen Lügen, die auch heute wieder Hass und Gewalt auslösen, mobilisieren.

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