Erstes öffentliches Lagebild zu Clankriminalität 2019 in Niedersachsen

Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, hat am Freitag, 12.06.2020, das erste öffentliche Lagebild zur Clankriminalität in Niedersachsen vorgestellt. Pistorius sagte dazu: „Clankriminalität in allen ihren Ausprägungen ist in Niedersachsen ein ernstzunehmendes Problem. Auch wenn die Anzahl der Straftaten selbst im Promillebereich im Verhältnis zur Gesamtkriminalität steht: Kriminelle Clanmitglieder sind gewalttätig, sie bedrohen ihre Konkurrenz genauso wie Angehörige der Polizei. Mitglieder aller kriminellen Clans in Niedersachsen treten mit überhöhtem Ehrgefühl und großer Respektlosigkeit auf. Sie beachten geltende Regeln und Gesetze nicht. Sie bedrohen damit unseren Rechtsstaat und unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaft. Sie akzeptieren unsere Rechtsordnung genau so wenig wie Vertreter des Rechtsstaats, die kommunal geltenden Regelungen und die Ordnungsbehörden. Darauf reagieren wir repressiv und unmittelbar mit allem, was uns insbesondere im polizeilichen Repertoire zur Verfügung steht!“

Lagebild 2019

Minister Boris Pistorius stellte das Lagebil vor – Foto: JPH/Archiv

2019 wurden in Niedersachsen insgesamt 2630 sogenannte Ereignisse im Zusammenhang mit Clankriminalität registriert. Davon handelte es sich in 1585 polizeilichen Vorgängen um Straftaten. Im Wesentlichen waren hier  Körperverletzungs-, Bedrohungs- und Beleidigungsdelikte zu verzeichnen.

1646 Personen wurden als Tatverdächtige oder Beschuldigte erfasst. Davon waren 87 Prozent männlich und mehr als 50 Prozent in einem Alter von unter 30 Jahren. Die Beschuldigten oder Tatverdächtigen kommen ursprünglich aus 49 verschiedenen Staaten. In Bezug auf die Herkunft dominiert allerdings die Bundesrepublik Deutschland mit 890 Personen, gefolgt vom Libanon (167), der Türkei (162), Syrien (83) und Rumänien (53). Insgesamt wurden Vermögenswerte in Höhe von knapp 5,7 Millionen Euro durch den Staat vorläufig gesichert. 355 Personen oder 21,6 Prozent traten 2019 mehrfach als Täter in Erscheinung.

Die Tatorte verteilen sich – in unterschiedlicher Ausprägung – nahezu über die gesamte Fläche Niedersachsens und zwar sowohl in urbanen als auch in ländlichen Gebieten. Urbane „Hotspots“, wie sie aus anderen Ländern bekannt sind, sind in Niedersachsen in der Intensität aber nicht erkennbar.

Zur Einschätzung des Dunkelfeldes der Clankriminalität sagt der Präsident des Landeskriminalamtes Niedersachsen, Friedo de Vries: „Wir gehen davon aus, dass wir im Dunkelfeld noch etwas mehr Straftaten clankriminellen Personen und Gruppierungen zuschreiben müssten. Es liegt aber gerade in der Eigenart der Clankriminalität, dass die Polizei aufgrund der familiären Abschottung und durch Einschüchterungshandlungen von einem gewissen Teil der Straftaten erst gar nicht erfährt.“

Entwicklung des Lagebildes seit 2013

Frühzeitiges, konsequentes und schnelles Einschreiten sind die ersten Maßnahmen – Foto: Red

Das jetzt vorgelegte Lagebild zur Clankriminalität für das Jahr 2019 gewährt erstmals öffentlich einen umfangreichen Einblick in die verschiedenen Ausprägungen der Clankriminalität, Details behördlicher Bewertungen und Maßnahmen. Die wesentlichen Kriterien zur Erstellung der Lagebilder wurden von 2013 bis zu dem jetzt vorgelegten Lagebild immer deutlicher definiert. So wurden Straftaten zunächst vor allem durch eindeutig zuzuordnende Nachnamen von bekannten Gefahrenverursachern und Straftätern der Clankriminalität retrograd zugeordnet, also in der Regel erst lange, nachdem sich die Straftat ereignet hatte.

Frühzeitiges Einschreiten ist wichtig

„Ein sehr niedrigschwelliges Einschreiten auf der Straße ist eine wesentliche strategische Leitlinie für alle Polizeibeamtinnen und –beamten bei dem Umgang mit Mitgliedern krimineller Clans. Diesen Personen begegnen wir zudem angepasst mit entsprechenden Ermittlungseinheiten und spezialisierten Ermittlungskräften“, so Landespolizeipräsident Axel Brockmann.

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