Ausverkauft in die Nacht – Hertha BSC zerlegt das „System Hannover“


49.000 Menschen wollten den Auftritt der Mannschaft von Trainer Christian Titz gegen seinen Vorgänger Stefan Leitl in der Heinz von Heiden Arena sehen und die Stimmung kochte schon vor der Mannschaftsausstellung hoch, als es um die neue Farbgestaltung der Arena ging.
Stürzt die Hertha dauerhaft ab und bleibt Hannover souverän an der Spitze, diese Frage sollte heute Abend beantwortet werden. Eines fiel den Fans dabei gleich ins Auge: der Neuzugang Rennrakete William Kokolo stand nicht im Kader.
Höhenfeuerwerk in der Arena
Mit Anpfiff ging zunächst in der Nordkurve ein langanhaltendes Feuerwerk los, das das ganze Stadion zunächst mit einer Rauchwolke bedeckte, die das Atmen erschwerte. Trotzdem ließ Schiri Stegemann das Spiel anlaufen.

Die erste Ecke der Roten kam dann bereits in der 4. Spielminute. Neubauer brachte den Ball in den Strafraum, doch dort fand ein keinen Abnehmer. 6. Minute nächste Chance für die Hausherren, doch Ernst lenkte im Nachfassen zur harmlosen zweiten Ecke. In dieser Anfangsphase war Hannover erkennbar überlegen und bestimmte das Spiel, die Berliner Angriffe endeten regelmäßig in der roten Abwehr. 19. Minute die nächste Einschussmöglichkeit, die Arena hatte den Torschrei schon vorbereitet, da griff Ernst noch einmal ein und verhinderte den Einschlag.
Leider sah aber schon in dieser Phase das Team von Titz oft nicht den rechts freistehen Bundu, sondern spielte lieber mit Torwart Noll. Außerdem verlor Rochelt auf der anderen Seite oft den Ball beim Versuch, in den Strafraum zu kommen. Hertha spielte nun effizienter und passgenau, kam dadurch auch zu Chancen. In der 33. Minute holte sich dann Winkler die gelbe Karte wegen Meckerns über eine Abseitsentscheidung ab. In der 38. Minute 5. Ecke für Hannover – Ball kommt hoch rein, unübersichtliche Spielsituation, irgendein Berliner holt dann den Ball noch von der Linie. Wieder nix.
Nach 45 Minuten pünktlich bat dann Schiri Stegemann zum Pausentee. Es blieb beim 0:0. Am Anfang und vor der Halbzeit beherrschte Hannover die Gäste, ohne aber aus dieser Überlegenheit tatsächlich Nutzen ziehen zu können. Sobald Hannover über die rechte Seite kam mit Bundu und Matsuda im Duett war im Berliner Strafraum Brandalarm angesagt. Doch noch gelang es der Abwehr der Gäste, das Feuer rechtzeitig zu löschen, bevor das ganze Gehäuse in Flammen stand.
Wiederanpfiff mit geänderter Situation
Halbzeitwechsel gab es bei Hannover: Chakroun ersetzte den glücklosen Rochelt, der sich ein ums andere Mal festgerannt hatte – so wie früher.
In der 50. Minute hatte Leopold die Einschussmöglichkeit, doch stattdessen machte Hertha im direkten Gegenzug mit Winkler das 0:1 – keine Chance für Noll, der Berliner konnte sich die Ecke aussuchen. Und direkt nach Anstoß versuchte es Hertha gleich mit einem Weitschuss, denn Noll stand in der Mitte der eigenen Hälfte. Er schaffte es aber noch zurück, weil der Ball lange hoch unterwegs war.

In der 54. Minute gab es gelb für Eitschberger nach taktischem Foul an der linken Außenlinie. In der 56. Minute hatte Aseko Glück und sah nur gelb wegen einer Tätlichkeit nach einem Foul an ihm. Nun wurde bei Hannover das Prinzip Zufall durch das Prinzip Hoffnung ersetzt: eine Linie war nicht mehr erkennbar, es lief nicht viel mehr zusammen, die Berliner Abwehr fing einen Ball nach dem anderen ab. Titz brachte deshalb Oudenne für Matsuda, Yokota für Bundu und Källmann für Pichler. Doch Hertha blieb weiter im Vorwärtsgang, wogegen Hannover den Eindruck machte auf der Leerlaufposition zu stehen.
Der Absturz
Auch Eichhorn und Leistner bekamen noch ein gelbes Kärtchen gezeigt, was aber mit Blick auf den wahrscheinlichen Sieg der Gäste sicher durch die zu verschmerzen ist.
In der 66. Minute sah auch Tomiak gelb, während im Gästeblock ein Notarzteinsatz mit Reanimation lief und es im Rund zunächst ruhig wurde. Dass sich lange Pässe auf die andere Spielfeldseite lohnen, zeigte dann Hertha den Roten, indem ein Pass von rechts auf links geschlagen wurde, der Ball von da hoch in den Strafraum kam, wo ihn Kownacki mit dem Kopf an der verdutzten roten Abwehr zum 0:2 ins Tor beförderte. Titz brachte jetzt Taibi für Aseko. Nach dem Wechsel davor fiel übrigens das zweite Tor! Leitl setzte jetzt auf Abwehr und ersetzte Jensen und Kownacki durch Andersen und Sessa. Während nun bei Hertha alles rund lief, wirkte Hannover nur noch wie elf konzeptlose Einzelkämpfer.
Hertha bringt zudem noch Schuler für Winkler und Krattenmacher für Reese, der aber erst vom Schiri des Platzes verwiesen werden musste. Schließlich schiebt Leitl noch Mamuzah für Eichhorn nach.
In der Nachspielzeit rannte Okon sein Gegenspieler davon, hob den Ball ins Zentrum und Schuler brachte ihn im Netz unter: 0:3 für die Gäste. Konsternierte Hannoveraner sahen dann nur noch zu, während Tomiak verletzt vom Platz humpelte und Hannover die Partie mit zehn Mann zu Ende bringen musste.
Der Schluss

Viele Zuschauer wanderten vorzeitig ab, Hannover 96 wurde von einer klar stärkeren Hertha zerlegt und auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Von allen Kopfbällen beispielsweise holte sich die Hertha-Abwehr gefühlte 90 Prozent. Frustriert verließen die restlichen der 49.000 Zuschauer das Stadion. Nun wird es oben enger, Hannover hat nur noch einen Punkt Vorsprung auf den Tabellenzweiten. Leitl gewinnt wieder gegen Titz und Hannover hat die erste Heimniederlage eingesackt.
„Nach einem hohen Druck zu Anfang haben wir dann wieder die Ordnung geschafft und sind glücklich mit 0:0 in die Halbzeit gegangen“ sagte Stefan Leitl. „In der zweiten Hälfte hatten wir nach dem Umschalten die besseren Lösungen – und haben schöne Tore geschossen.“ Sein hannoverscher Kollege Titz, sichtlich konsterniert, betonte, dass man in der ersten Hälfte mindestens das erste Tor, wenn nicht noch mehrere hätte machen können, doch man es in der zweiten Hälfte nicht geschafft habe, die Fehler in der Abwehr abzustellen. Daran änderten auch die 15:0 Ecken nichts.
Nun muss Hannover 96 den nächsten Gegner, den BSC Dynamo Dresden, in den Blick nehmen, der auch nicht gerade zu den Leichtgewichten zählt, bevor dann der Verfolger Arminia Bielefeld mit zwei Ex-Hannoveranern in die Landeshauptstadt kommt.
Die Teams
Die Hertha begann mit Tjark Ernst, Julian Eitschberger, Leon Jenen, Dawid Kownacki, Michael Cuisance, Fabian Reese, Marten Winkler, Kenneth Eichhorn, Marton Dardai, Toni Leistner und Deyovaisio Zeefuik.
Hannover 96 setzte auf Nahuel Noll, Boris Tomiak, Virgil-Eugen Ghia, Mustapha Bundu, Enzo Leopold, Jannik Reichelt, Benedikt Pichler, Nkili Aseko, Ime Okon, Hayate Matsuda und Maurice Neubauer.
Schiedsrichter war Sascha Stegemann mit Thorben Siewer, Fabian Maibaum und Jonah Besong. Als VAR wirkte Patrick Alt mit.
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