Fachausschuss vertagt Entscheidung – auch auf Wunsch der Bürgerinitiative

So viele Zuhörer und Zuhörerinnen der Bürgerinitiative (BI) gegen das Gewerbegebiet Sehnde-Ost waren gekommen, dass die Mensa der KGS Sehnde sie gar nicht Corona-gerecht aufnehmen konnte. So blieben etwa 35 Personen vor der Tür und konnten die Sitzung des Fachausschusses Stadtentwicklung und Straßen, Grünflächen und Klimaschutz nur über einen nach außen gebrachten Lautsprecher verfolgen.

Saal hat nicht genügend Plätze
Rund 35 Besucher mussten draußen am Lautsprecher zuhören – Foro; JPH

Während drinnen der Ausschussvorsitzende Günter Pöser (B90/Grüne) die Sitzung eröffnete, froren die Zuhörer, hielten ab tapfer durch. Schließlich ging es um den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 355 zum Gewertbegebiet Sehnde-Ost. Dort soll die Ansiedlung des Reifenlogistikers Delticom aus Höver zwischen  KES und B 65 erfolgen. Die BI hatte sich erst am Osterwochenende formiert, nachdem es lange um das Gewerbegebiet ruhig geblieben war. Erst als am 6. März kam das Thema bei den Bürgern von Rethmar an.

Die Behandlung des Tagesordnungspunktes Bebauungsplan Nr. 355 „Gewerbegebiet Sehnde-Ost“ begann bereits mit der anfänglichen Fragezeit der Bürger. Dazu gab es erwartungsgemäß viele Fragen und auch Unmutsäußerungen. In diesen Fragen ging es um die reale Schaffung von Arbeitsplätzen – oder nur deren Verlagerung –  die Zunahme des Fahrzeugverkehrs durch Lastwagen aller Kategorien, die konkrete Einnahme von Gewerbesteuern und vermisste Kosten-Nutzen-Rechnung. Marion Schiller aus Rethmar wies zudem auf die schon länger zurückliegende Forderung der Rethmarer hin, die sich einst in einer Umfrage zur Lärm- und Verkehrsbelastung auf der B 65 für mehr Eindämmung ausgesprochen hatten. „Nun geht das einfach so weiter. Als ob man die 600 Unterschriften von damals einfach ignoriert“, sagte sie.

Skepsis über die realen Vorteile
Im Süden des Gewerbegebeites Sehnde-Ost soll der Reifenlogistiker bauen – Foto: JPH

Auch die Sinnfrage in der Demokratie nach der Funktion von gewählten Vertretern wollte ein Besucher in die Debatte einbringen – das jedoch wurde zu Recht von Pöser unterbunden, der darauf hinwies, dass sich die Stimmenverteilung für das Projekt durchaus als Pro und Contra darstelle. Der anwesende Bürgermeister Olaf Kruse wies darauf hin, dass sich der Logistiker für Sehnde entschieden habe anstatt den Standort zu verlassen. Allerdings war eine Entwicklung am alten Standort nicht möglich, sodass neue Flächen gesucht werden mussten. „Wir planen nicht für Delticom“, sagte Kruse, „sondern für Sehnde. Und was würde es bedeuten, wenn der Betrieb aus Sehnde abwanderte?“ Viele Fragen bezogen sich dann auch auf die Gründe für den Betrieb, die Verlegung anzustreben – doch dies ist nicht „Aufgabe der Stadt, sich mit den Gründen zu befassen“, fügte Kruse hinzu.

Auch Fragen zum Naturschutz der Fläche wurden behandelt, und die Stadtverwaltung wies darauf hin, dass auf den Flächen des Gebietes für die Rohrsänger eine Ausgleichfläche direkt daneben geschaffen werde. Fledermäuse und andere schützenswerte Arten seien nicht festgestellt worden. Unklar blieb allerdings bis zu diesem Zeitpunkt, ob es der BI um die Ansiedlung von Delticom auf der Fläche geht oder um das Gewerbegebiet als solches.

Ablauf der Entwicklung vorgetragen
So wird der neue Komplex sich im Gewerbegebiet darstellen – Foto: JPH

Mit eigentlichem Sitzungsbeginn stellte Godehard Kraft, Fachdienstleiter Stadtentwicklung, Straßen, Grünflächen und Klimaschutz, die Entwicklung des 80 000 Quadratmeter großen Gewerbegebietes seit Dezember 2018 dar. Und wies auch mehrfach darauf hin, dass es eine Öffentlichkeitsbeteiligung ständig ergeben habe.  Zum Bebauungsplan Nr. 355 hatten sich abschließend zahlreiche Bemerkungen ergeben, die allerdings alle keinen signifikanten Einfluss auf das Projekt haben. Am Ende hatten auch die Ratsmitglieder mehrere Fragen, die sich auch auf die Ansiedlung des Logistikers bezogen. So stellte sich heraus, dass der Grund bereits an die HRG und von dort an den Investor Eurovia verkauft sei. Der wiederum vermietet dann seine Gebäude an Delticom. Dieser geänderte Plan, statt eines Getränkelogistikers den Reifenhandel dort anzusiedeln, war erst bekannt geworden, nachdem am 6. März die Pressemeldung des Betriebes in Sehnde-News veröffentlicht wurde. In der Debatte verlas Winfried Brauns (B90/Grüne) auch eine Stellungnahme von Holger Klinkert, der auf die Auswirkungen des Gebietes auf das Grundwasser einging.

Neuer Antrag zu mehr Information

In dieser Debatte des Ausschusses reifte schließlich der Antrag von Sebastian Fischer (CDU), die Entscheidung zum Bebauungsplan Nr. 355 doch zu vertagen und den Reifenlogistiker zu bitten, seine Pläne im Ausschuss öffentlich vorzustellen und Fragen zu beantworten.

Nachdem die Sitzung dann noch einmal für Fragen der Besucher unterbrochen worden war – wobei keine wesentlichen neuen Fragen und Erkenntnisse entstanden – stimmte der Ausschuss über den gestellten Antrag Fischers ab. Einstimmig wurde dabei dann der Beschluss über den Bebauungsplan Nr. 355 durch die Ausschussmitglieder vertagt und der Bürgermeister gebeten, eine Vorstellung von Delticom zur Planung und Ausrichtung des neuen Komplexes zu organisieren. Das wurde sowohl von den Ausschussmitgliedern als auch von den Besuchern begrüßt. Günter Pöser wies abschließend darauf hin, dass zwar die Öffentlichkeit dauerhaft an der Planung beteiligt war, man aber nun auch die Bürger, die erst jetzt Interesse bekundeten, mitnehmen könne.

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