Holcim informiert Bürger in Ahlten über Ammoniak und Renotherm

Das Unternehmen Holcim aus Höver ist in Ahlten aktiv geworden und hat die Bürger zu einem Informationsabend eingeladen. Am Donnerstag, 23.01.2020, waren Unternehmensvertreter von Holcim in das Landhotel Behre gekommen, um den Bürgern die Grundzüge der Zementproduktion zu erklären und zu zwei zentralen Themenfeldern Stellung zu nehmen.

Rund 70 Gäste konnte Erik Jantzen (vo.li.) zum Info-Abend begrüßen – Foto: JPH

Dabei ging es um den Ersatzbrennstoff Renotherm und den Ausnahmeantrag für die Ammoniak-Emissionen. An gleicher Stelle hatte die Bürgerinitiative (BI) „Bürgerforum Umwelt und Sicherheit“ eine Woche zuvor ihren Standpunkt vorgetragen und die Bürger um Spenden für die Klage gegen das Gewerbeaufsichtsamt gebeten (SN berichtete). Das will die Grenzwerte für Ammoniak streichen, so die Angabe der BI. Zugleich riss die BI das Problem der Quecksilber-Emissionen des Zementwerkes Anderten-Misburg an, ohne das Thema allerdings zu vertiefen.

Holcim sei sich der Verantwortung bewusst

„Wir wissen um unsere Verantwortung als produzierendes Unternehmen für Gesundheit und Umwelt und wollen uns weiter im Dialog austauschen. Nach dem kleinen Vortrag stellen wir uns gerne einer sachlichen Diskussion mit unseren Nachbarn”, so Holcim-Werksleiter Erik Jantzen zur Begrüßung der rund 70 Gäste. Darunter waren die Ortsbürgermeisterin aus Ahlten, Heike Köhler, und ihr Amtskollege aus Höver, Christoph Schemschat, sowie Angehörige der Ortsräte und der Fraktionsvorsitzende der Sehnder CDU-Fraktion, Klaus Hoffman. Von Holcim standen an diesem Abend neben dem Werksleiter Bernd-Henning Reupke, Umweltbeauftragter, und Dr. Christian Benecke, Produktionsleiter, den Anwesenden Rede und Antwort.

Brennstoffe über die Zeit

Geschichtlich erfolgt der Mergelabbau im Raum Höver seit 120 Jahren. Zur Produktion der „Klinker“ wurden in dieser Zeit neben den fossilen Brennstoffen Braunkohle und Steinkohle auch Klärschlamm, Reifen und nun Ersatzbrennstoffe, wie Fluff und künftig Renotherm eingesetzt. Eine Umstellung auf Schweröl oder Gas bringe heutzutage nichts mehr. Die im Renotherm verarbeiteten Abfälle erzeugen in einer Müllverbrennungsanlage Abgas wie CO2, Schwermetalle und andere Stoffe. Bei der Zementherstellung mit Renotherm jedoch fallen diese Stoffe nicht an, da sie sich im Zement verteilen. Zudem ist die Brenntemperatur von rund 2000° Celsius im Drehofen so hoch und die Verweildauer so lange, dass die Moleküle gecrackt werden.

Die Zusammensetzung von Renotherm ist Gegenstand des Genehmigungsverfahrens – Foto: JPH
Wie wird Renotherm geprüft

Die Zusammensetzung von Renotherm, die einer der Streitpunkte ist, unterliegt dabei gesetzlichen Vorgaben und Nachweisen. Das trifft auch auf die Konfiguration des für Höver geplanten Materials zu und sei außerdem Bestandteil des laufenden Antrags. Die von der BI monierte Einstufung der Zusammensetzung als „Betriebsgeheimnis“ mit Schwärzungen sei im Verfahren behördenintern nicht erfolgt. Denn gerade das sei Gegenstand des Prüfverfahrens. Nur für die externe Verwendung ist das erfolgt, um Mitbewerbern keine betriebsinternen Kenntnisse zu vermitteln. Und Jantzen hob hervor: „Eine Sache ist definitiv nicht drin: Krankenhausabfälle.“ Bernd-Henning Reupke ergänzte: „Das wäre definitiv kriminell! Dafür gelten ganz andere Regeln und Abfallkonzepte.“

Welche Grenzwerte für Ammoniak gelten eigentlich?

Danach trug Reupke vor, wie die Abluft behandelt werde, und sprach über die Sicherheitsvorkehrungen vom Löschwasservorrat bis zur Infra-Rot-Prüfung. Dr. Benecke erklärte danach die bemängelten Ammoniak-Emissionen: Ab drei Milligramm pro Kubikmeter Luft ist das Gas riechbar, ab 100 Milligramm entsteht eine Reizung und ab 1000 Milligramm beginnt die Gefährdung. „Ammoniak ist einer der am meisten hergestellten Stoffe der Welt“, so hob er hervor. Die größte Menge bringen die Bauern in die Luft, nur zwei Prozent die Industrie und nur ein weiteres Prozent die Autos – und die geforderten SNCR-Anlagen. Zudem gebe es nach EU-Recht nur zwei Grenzwerte: für Feinstaub und NOx. Gemessen wurden in Ilten bei entsprechender Windrichtung zudem nur 0,063 Milligramm NH3 pro Kubikmeter Luft.

Ammoniak kommt überwiegend aus der Landwirtschaft – Foto: JPH

„Der Gesetzgeber geht in Deutschland davon aus, dass ein Grenzwert sich daraus ergibt, was technisch mach- und leistbar ist“, betonte Jantzen. „Lediglich die zwei EU-Grenzwerte sind eine Ausnahme.“ Dabei habe sich die seit 2018 laufende SNCR-Anlage in Höver nicht bewährt. Sie stoße rund 2000 Tonnen zusätzliches CO2 jährlich aus, um 25 Tonnen Ammoniak pro Jahr einzusparen. Derzeit laufe deswegen ein Betriebsversuch im Werk in Beckum. Deshalb gelte die Ausnahmegenehmigung für das Werk in Höver nur bis 2024.

Diskussion wieder ohne die Frage nach dem Quecksilber

In der anschließenden Frage- und Diskussionsrunde ging es genau um die Grenzwerte, die jeder für sich anzweifelte und interpretierte. Dazu kam die wiederkehrende Frage, ob Müllverbrennungsanlagen und Zementwerke vergleichbar seien und wie effizient SNCR-Anlagen sind. Erstaunlich war erneut, dass das Thema Renotherm und Ammoniak viel mehr Bürger in Ahlten als in Höver interessiert und mobilisiert. Und gegen Ende der sich oft im Kreis drehenden Aussprache stellte die stellvertretende Ortsbürgermeisterin von Höver eine der interessantesten Fragen des Abends: „Warum sprechen wir hier eigentlich nur vom Werk in Höver und lassen die Quecksilber-Emissionen aus Anderten-Misburg vollkommen unter den Tisch fallen?“  Das war bereits eine der offenen Fragen in der Woche zuvor gewesen – und sie blieb erneut unbeantwortet von der BI.

Zum Abschluss lud Jantzen die interessierten Bürger noch zu Werksführungen nach Höver ein, um sich die Produktion und die Überwachung der Emissionen selbst anzusehen.

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