Gerhard Schröder spricht in Rethmar über Deutschland und Europa

Zu einem Vortrag hatte der Verein „Gemeinsam für Sehnde“ den Bundeskanzler aD Gerhard Schröder nach Rethmar auf den Gutshof gewinnen können. Vor geladenen Gästen begrüßte der Vorsitzende des Vereins, Gerd Schnupp, am Donnerstag, 05.09.2019, den Gast mit seiner Gattin Soyeon Schröder Kim. Das Thema des Abends, zu dem der Gast sprach, befasste sich mit Europa und seinen Perspektiven sowie der Rolle der Bundesrepublik darin.

Gerhard Schröder beleuchtete die Rolle Deutschlands in Europa – Foto: JPH

Rund 90 geladene Gäste waren dem Angebot des Vereins „Gemeinsam für Sehnde“ gefolgt und nutzten die Möglichkeit, sich durch den hochrangigen Redner über das Thema „Deutschlands Rolle in Europa“ zu informieren. Vereinsmitglied Jörn Fritsche führte die Zuhörer zuvor kurz in die politische Entstehung der heutigen EU ein, bevor Schröder dann im launigen Parforce-Ritt durch das Thema ging.

Zunächst sprach er über das aktuellen Selbstverständnis der Gemeinschaft, die mehr ist als eine Wirtschafts- und Währungsunion. Offene Grenzen haben dabei die blutigen Rivalitäten der Vergangenheit abgelöst und man hat zu einem Konsens gefunden. Das Gegenbeispiel war laut Schröder der Balkan, der erst nach Kriegen in die Einigung eintrat, oder Ungarn und Polen, die als Gegenströmung zur Intensivierung der Gemeinschaft derzeit anzusehen sind. Dabei sei die Überwindung der „Eigensucht und Erbfeindschaften“ ein „Quantensprung durch Frieden und Integration“. Und hier müsse gerade Deutschland seine Verantwortung dafür in den Vordergrund stellen – denn dieses Europa benötige Strukturreformen.

Jörn Fritsche (li.) und Gerhard Schröder im Gespräch mit den Besuchern – Foto: JPH

Er sprach über die Strömung „America first“ und die beiden weiteren globalen Pole China und Russland mit Bezug auf Europa – und vor allen  untereinander. „Wir dürfen dem Weg von Trump nicht folgen, sondern müssen für Ausgleiche in den internationalen Konflikten eintreten. Ich hoffe, dass die globalen Ereignisse die amerikanischen Präsidenten in die Gemeinsamkeit zurückzwingen werden“, so Schröders Wunsch.  Die Antwort sei deshalb ein Europa mit größerer Unabhängigkeit von den USA. Dazu gehörten allerdings neben dem erforderlichen Selbstbewusstsein auch die notwendigen Fähigkeiten, wie eine gemeinsame Handelspolitik, Verteidigungsfähigkeit und Integration. Dafür müsse man das Vertrauen aller Bürger zurückgewinnen und dürfe keine „Re-Nationalisierung“ anstreben. Der Brexit sei nicht nur Beispiel, sondern auch Bedrohung hierfür – allerdings eher für das Vereinigte Königreich selbst als für Europa. „Ein vereinigtes Europa ist nicht nur für den Frieden wichtig, sondern auch für die globalen Entwicklungen“, denn der Kontinent „darf nicht zwischen China, Russland und den USA zerrieben werden“. Deshalb müsse man von Brüssel aus weniger Entscheidungen für die kommunale und regionale Ebene treffen, sondern sich mehr auf die globale konzentrieren.

So sollte eine Reform der EU mehr Integration für die globalen Herausforderungen anstreben, Russland als Macht einbeziehen, mit der Türkei als Brücke in den Nahen Osten zusammenarbeiten und sich nicht in Handelskriege hineinziehen lassen. „Europäische Integration ist die einzige Lösung, sich politisch und ökonomisch gegen die beiden Pole USA und China zu behaupten“, so sein Fazit.

Die Besucher hörten gespannt den Ausführungen des Kanzlers aD zu – Foto: JPH

Im anschließenden Gespräch zwischen Fritsche und Schröder sowie mit Fragen aus dem Saal wurden dann die Themen in einzelnen Bereichen vertieft, zeitliche Perspektiven für die „Einheit in Vielfalt der EU“ ausgelotet und die neue Kommissionpräsidentin beleuchtet. Dabei kam auch die Bedeutung der Achse Frankreich und Deutschland zur Sprache. Natürlich wurde auch der Konflikt in der Ukraine diskutiert, den Schröder in seiner Antwort in die Bereiche „Krim“, „Donbass“ und „Sanktionen“ untergliederte.

„Der Bundeskanzler aD ist sehr authentisch rübergekommen“, so Besucher Max Digwa aus Rethmar. „Er war gut anzuhören und ist in Sachen Russland ein echter Experte.“ Dem schloss sich auch der Ortsbürgermeister von Rethmar, Matthias Jäntsch, an: „Er hat zwar manche Dinge etwas vereinfacht, aber war schon überzeugend. Es stimmt vor allem, dass manche Dinge einfach Zeit brauchen zur Prüfung, Entscheidung und Umsetzung.“ Aber auch zu viel Information hat es offensichtlich gegeben. So sagte Marion Forstmeier aus Sehnde: „Ihm war schwer zu folgen. Die Infos waren zu viel und zu kompakt. Aber er war gut und ich hatte ihn als Redner noch nicht gehört.“

Zu Abschluss gab es als Dank für den Gast und seine Gattin sechs Flaschen Rethmarer Bier der Gutshofbrauerei „Das Freie“ und Blumen – natürlich neben dem langen Applaus.

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