Autorenlesung in der JVA Sehnde – spannender Nachmittag

Die Gefangenen und Bediensteten der JVA Sehnde erwarteten einen hochkarätigen Besuch. Der der erfolgreiche Unternehmer Dirk Roßmann und der bekannte Kriminologe Prof. Dr. Christian Pfeiffer waren in die Haftanstalt gekommen, um dort ihre aktuellen Bücher vorzustellen. Bemerkenswert war bei der Lesung, dass auch gefangenen teilnahmen, die nicht deutsche Muttersprachler sind.

Regina-Christine Weichert-Pleuger, Dirk Roßmann und Prof. Dr.Dr. Christian Pfeiffer (v.li.) hatten den Vortrag organisiert – Foto: JPH
Autoren sind befreundet

Seit über vierzig Jahren beschäftigt sich Professor Dr. Dr. Christian Pfeiffer (75) mit der Gewalt in Deutschland und mit den Fragen, wie man zum Täter wird und was das Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, verringern könnte. In seinem neuesten Buch „Gegen Gewalt“, erklärt er, warum Liebe und Gerechtigkeit unsere besten Waffen sind und liefert Ansätze dafür, weshalb die Statistiken mit der gefühlten Kriminalitätstemperatur nicht übereinstimmen.

Der Drogeriegründer Dirk Roßmann (73) schreibt von Aufstieg, Mut und Wandel und verschweigt dabei die Brüche in seinem Lebenslauf nicht. Er bekennt, dass er einschneidende Niederlagen einstecken musste und dass ihm bei der Bewältigung dieser schweren Lebensphasen auch Therapien sehr geholfen haben.

Dirk Roßmann las das Kapitel über den Pakete-Transport nach Russland – Foto: JPH
Rund 80 Zuhörer

Den Nachmittag vor rund 35 Gefangenen und fast so vielen zusätzlichen Besuchern des Personals der JVA und des Fördervereins der JVA leitete die Anstaltsleiterin Regina-Christine Weichert-Pleuger mit ihrer Begrüßung ein. „Ich bin stolz darauf“, sagte sie in Richtung der beiden Autoren, „dass Sie sich die Zeit genommen haben, hier zu sprechen – in der Kleinstadt JVA.“ Während Roßmann aus seinem Buch „… dann bin ich auf den Baum geklettert“ vorlas, hat Professor Dr. Dr. Pfeiffer, ehemaliger Justizminister des Landes, zu seinen Werken vorgetragen. Dabei hatten die Autoren auch zugesagt, einige Exemplare ihrer Bücher im Anschluss der Gefängnisbücherei zukommen zu lassen.

Die wilde Zeit der UdSSR war Thema von Roßmann

Roßmann begann mit einer Passage aus dem Buch, die im Jahr 199o spielte. Der befasste sich mit Zeit um den Zusammenbruch der UdSSR und der daraus entstandenen Notlage vor allem der alten Leute. Demzufolge war das Kapitel auch überschreiben „Moskau – eine besondere Reise“. Dabei spiegelte sich sehr viel persönliches Engagement und Betroffenheit in seiner Geschichte. Und die brachte er auch ins Publikum rüber. Er erzählte, wie er Hygieneartikel in 19 Lastzügen nach Russland bracht, die Korruption erlebte und von der Dankbarkeit der Empfänger der Pakete überwältig wurde. An die Vorstellung schloss sich eine Fragezeit an, in der er viel persönliches von sich preis gab.

Professor Pfeiffers Beitrag war zeitweise sehr emotional – Foto: JPH

Aber er zeigte sich auch als Person, die zu ihrem Wort steht. Als ein Gefangener, der seinen Abschluss in Logistik erworben hatte, fragte, ob er auch ehemaligen Strafgefangenen eine Chance einräumen würde, forderte Roßmann ihn auf: „Wenn sie entlassen sind, schreiben Sie persönlich an mich unter Dirk Roßmann Burgwedel. Ich verspreche Ihnen, dann finden wir eine Lösung.“

Pfeiffer blickte auf die Zeit als Kriminolge als Ganzes zurück

Professor Dr. Dr. Andreas Pfeiffer war Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Von 2000 bis 2003 war er außerdem niedersächsischer Justizminister. Der Freund Roßmanns war seinen eigenen Angaben zufolge bereits vor rund 50 Jahren erstmals in einem Gefängnis. Dann aber sprach er frei über seine Erfahrungen mit der Kriminologie. Danach gehe entgegen des subjektiven Empfindens der öffentlichen Meinung die Kriminalität zurück. Das beträfe auch Mord und Totschlag – und die gewalttätige Jugendkriminalität. Das löste Erstaunen in der Runde aus, denn andererseits nimmt die Belegung der JVAs zu. Dabei entstehe das Gewaltpotential seiner Erkenntnis nach durch häusliche Erfahrungen in der Jugend. Jeder zweite Gefangene sei von häuslicher Gewalt betroffen gewesen. Sehr emotional sprach er dann auch über seinen Lebensweg, wie seine Familie vor den Russen flüchten musste. Letztlich habe ihn ein Mann gerettet, der als polnischer Zwangsarbeiter auf dem Hof seiner Eltern gearbeitet habe und von diesen immer gut behandelt worden war. Zudem wurde in der Fragezeit noch über Clan-Kriminalität und die „Besonders gesicherten Haftzellen“ (BgH-Zellen) gesprochen, wo sich Pfeiffer aber sehr kurz hielt.

Der Nachmittag wurde von den Beteiligten als kurzweilig und informativ eingestuft und viele Besucher waren von der Offenheit und Ehrlichkeit der beiden Vortragenden überrascht.

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