In Ilten spielt Champions League: Gemeinde hat restaurierte Christian-Vater-Orgel

In Ilten spielt Champions League: Gemeinde hat restaurierte Christian-Vater-Orgel
Die Christian-Vater-Orgel ist zurück in der barockkirche in Ilten - Foto: JPH
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Das Erntedankfest erhält in diesem Jahr für die Evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Ilten eine besondere Bedeutung. Denn neben dem Dank für die Gaben der Landwirtschaft und Gärten steht die dann abgeschlossene Restaurierung der historischen Christian-Vater-Orgel im Mittelpunkt des Festgottesdienstes am Sonntag, 5. Oktober.

„Im übertragenen Sinn kann man durchaus von Ernte sprechen,“ erläutert Gemeindepastor Maximilian Chmielewski. „Gemeindemitglieder und Orgelfreunde haben mehr als sieben Jahre lang viele kleine und große Geldbeträge gespendet, damit die barocke Denkmalorgel endlich wieder glanzvoll und wohltönend die Iltener Barockkirche schmückt.“ Mit dem Erntedank-Gottesdienst wird die Orgel wieder an die Kirchengemeinde zurückgegeben und offiziell eingeweiht.

Seit 2013 war bekannt, dass die Orgel gründlich gereinigt und überholt werden müsste. In den 34 Jahre zuvor war das Instrument nur hin und wieder gestimmt worden. Staub und Schimmel hatten dem Pfeifenwerk und der Mechanik zugesetzt. Erste Reparaturangebote ergaben Kostenschätzungen im mittleren fünfstelligen Bereich. Die Untersuchung der Orgel ließ bei den Experten dann die Vermutung aufkommen, dass viele Bestandteile nicht zum ursprünglichen Orgelbau aus der Zeit um 1650 stammten. Das Instrument musste später, vielleicht zur Zeit des Kirchenneubaus Mitte der 1720er Jahre überarbeitet, erweitert und umgebaut worden sein. Vielleicht vom bedeutenden hannoverschen Orgelbaumeister Christian Vater, denn seine Signatur war an einigen Pfeifen entdeckt worden.

Zufallsfund im Iltener Kirchenarchiv

Die einschlägigen Archive gaben jedoch keine konkreten Nachweise her. Letztlich war es einem Zufallsfund in einem Visitationsprotokoll aus dem Jahr 1741 zu verdanken, dass diese Orgel nun tatsächlich Christian Vater zugeschrieben werden kann. Der hatte sein Handwerk bei seinem Vater erlernt und bei Arp Schnitger in Hamburg zur Meisterschaft verfeinert. Schnitger gilt als bedeutendster Orgelbauer des Hochbarock und Begründer einer Orgelbauepoche, die heute als die norddeutsche Orgelbauschule eingeordnet wird. In dieser Tradition hatte auch Christian Vater bedeutende Orgeln im ganzen nordwestlichen Raum bis nach Holland hinein gebaut.

Der Nachweis der Vaterschen Urheberschaft machte eine neue historische Einordung des Instruments nötig. Christian-Vater-Orgeln haben einen hervorragenden Ruf. Es sind typisch hochbarocke, wohlklingende und bezüglich der Gehäuse wohlproportionierte Instrumente, die harmonisch in den jeweiligen Kirchenraum eingepasst sind. Vater lehnte sich an das Schnitgersche Vorbild an und schuf qualitativ sehr gute Instrumente auf der Basis ausgesuchter, dauerhafter Materialien. Nach Auffassung von Orgelsachverständigen rückt mit der Entdeckung der Vater-Orgel die Iltener Barockkirche in die musikalische „Champions League“ auf.

„Ein Herz für unsere Orgel“

Vor diesem Hintergrund hatte sich der Iltener Kirchenvorstand 2016 entschlossen, das Wagnis einer kompletten Restaurierung statt einer bis dahin angedachten „Ausreinigung“ einzugehen. Daraus folgte eine deutlich höhere Kostenerwartung im mittleren sechsstelligen Bereich. Zusammen mit dem „Förderverein der Kirche zu Ilten und der Kapellen Höver und Bilm“ wurde 2018 unter dem Titel „Ein Herz für unsere Orgel“ eine Spendensammlung initiiert, die über mehrere Jahre letztlich allein aus privater Hand rund ein Drittel der Kosten aufbrachte. Ein weiteres Drittel steuerte die Landeskirche Hannovers bei. Weitere große Zuwendungen zu dem Projekt kamen von der Klosterkammer Hannover, der Volksbank Hildesheim-Lehrte-Pattensen und der norddeutschen Volksbankstiftung sowie weiteren institutionellen Spendern und der lokalen Wirtschaft.

Schon vier Jahre später war ein Großteil der Summe beisammen und mit dem Isernhagener Orgelbau-Meisterbetrieb Gebrüder Hillebrand GmbH Orgelbau KG auch das Unternehmen gefunden, das die speziellen Arbeiten handwerklich fachgerecht ausführen konnte. Es hatte bereits die Christian-Vater-Orgel in Gifhorn und eine ganze Reihe weiterer historischer Orgeln restauriert. Die Corona-Pandemie sorgte allerdings für eine lange Unterbrechung.

Erst im Sommer 2022 wurde das Instrument komplett abgebaut und in allen Einzelteilen in die Orgelbauwerkstatt gebracht.

Die restaurierte Vorderseite des Orgelgehäuses, der sogenannte Prospekt, ist mit den überarbeiteten Prospektpfeifen ein echtes Glanzstück der 300 Jahre alten Barockorgel in der Iltener Kirche – Foto: KG Ilten/Detering

Die Zeit bis zum Wiedereinbau wurde zusätzlich genutzt, um den Orgelprospekt, die Vorderansicht des Orgelgehäuses, ebenfalls restauratorisch zu überarbeiten und außerdem eine spezielle Lüftungsanlage für die Barockkirche zu installieren. Sie soll die Luftfeuchtigkeit in dem 300 Jahre alten Kirchenschiff konstant niedrig halten, so dass die bisher aufgetretene Schimmelbildung in der Kirche weitestgehend vermieden wird.

Alleinstellungsmerkmal „getretener Wind“

Wichtiger Bestandteil der Restaurierung war ferner die Rekonstruktion der ursprünglichen Orgelwindversorgung – „Wind“ wird die Druckluft genannt, die die Orgelpfeifen zum Klingen bringt. Die ursprünglichen Keilbälge waren im Kirchturm platziert, aber in neuerer Zeit durch einen motorbetriebenen Kastenbalg auf der Empore ersetzt worden. Die restaurierte Orgel wird nun wieder von Keilbälgen versorgt, für die der Glockenstuhl im Kirchturm aufwändig umgebaut werden musste. Das Besondere an dieser nach historischen Vorlagen neu konstruierten Balganlage ist, dass sie nicht nur automatisch betrieben, sondern nach alter Art auch über Trethebel mit Menschenkraft bedient werden kann. In alter Zeit war das Aufgabe der Konfirmanden.

Diese originale Windversorgung ist heute bei Orgeln nur noch selten zu finden und gilt deshalb als Alleinstellungsmerkmal. Sie wirkt sich auch auf den Klang der Orgel aus. Der soll „ganz hervorragend“ sein, wie die mit dem Projekt betrauten Orgelsachverständigen schon verraten haben: Die Kirchengemeinde Ilten werde „viel Freude an ihrem neuen Instrument“ haben, berichteten sie nach einem ersten Probespiel.

Damit läuft auch für den Kirchenvorstand alles nach Plan. „Wichtig war uns von Beginn an,“ sagt dessen Vorsitzender Sievert Herms, „dass die Orgel nicht nur Gottesdienste und kirchliche Feiern begleitet, sondern dass mehrfach im Jahr auch bedeutende Organisten von nah und fern an dem original restaurierten Barockinstrument Konzerte geben und damit die Iltener Barockkirche über Sehnde und die Region hinaus als kultureller Magnet wirkt.“

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