Gut integrierte jesidische Familie aus Ilten soll abgeschoben werden

Gut integrierte jesidische Familie aus Ilten soll abgeschoben werden
Die Familie Hajie soll Deutschland verlassen: Ortsbürgermeister Sandy Steve Choitz, Nashwan (11), Nival (2), Saoud Semu Hajie, Navel (4), Alin (8) und Ehrenortsbürgermeisterin Gisela Neuse (v.li.) wehren sich dagegen - Foto: JPH
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Eine in Ilten seit 2014 lebende, voll integrierte jesidische Familie soll nun nach Ablauf ihrer Duldung abgeschoben werden in den Irak. Die Aufforderung dazu erhielt Semu Hajie vor ein paar Tagen und es traf die vierköpfige Familie vollkommen unerwartet. Der Ortsbürgermeister von Ilten, Sandy Steve Choitz und die Ehrenortbürgermeisterin Gisela Neuse können diese Aufforderung nicht nachvollziehen. Mittlerweile ist auch die Härtefallkommission beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung eingeschaltet und der Flüchtlingshilfeverein kargah.

Übrige Familie lebt schon seit 2014 in Deutschland

Saoud Semu Hajie ist mit seiner Frau Hajie Salim und seinen zwei Kinder Nashwan und Alin 2019 nach Deutschland geflohen, denn sie waren die letzten Angehörigen der jesidischen Familie, die schon seit 2014 in Deutschland lebt und arbeitet. Zunächst waren sie in Bad Fallingbostel untergebracht, bevor sie im September 2019 nach Ilten umzogen, in die Region Hannover, wo auch seine Söhne Navel und Nival geboren wurden. Die beiden älteren Kinder, Nashwan (11) besucht die 5. Klasse des Gymnasiums in Lehrte, Tochter Alin (8) geht in die Grundschule Ilten. Sohn Navel (4) ist in Ilten im Kindergarten, Sohn Nival ist mit seinen zwei Jahren dafür noch zu klein. Sie alle sprechen Deutsch und kein Irakisch.  Neben seinem Schulbesuch ist Sohn Nashwan in der D-Jugend des MTV Ilten als Fußballspieler aktiv.

Brief mit Ausreiseaufforderung

Im August meldete sich plötzlich die Ausländerbehörde mit der Aufforderung – als Einladung kaschiert – sich beim Team Zuwanderung der Regionsverwaltung zu melden. Dort, so sagt Saoud Semu Hajie eröffnete man ihm, dass die Duldung nun zuende ist und er mit seiner Familie Deutschland zu verlassen habe. „Dabei haben wir uns in Deutschland voll integriert“, so Hajie, für den eine Welt innerhalb einer Minute zusammenbrach. „Ich arbeite in Deutschland als Bäcker bei meinem Bruder, zahle dort meine Sozialabgaben und die Krankenkasse, wir leben von unserem Einkommen und ich habe gerade im April meine deutsche Sprachprüfung mit dem Level B 1 bestanden, nachdem der Kurs wegen Corona zunächst unterbrochen wurde. Meine Familie ist nicht auf Unterstützung vom Sozialamt angewiesen.“ Außerdem hat er noch einen Minijob bei einem Kiosk in der Geibelstraße. Auch straffällig sei die Familie nie geworden und stellt auch anerkanntermaßen keine Gefährdung dar. Sein Bruder bestätigte auf Anfrage, dass er Hajie gerne weiterbeschäftigen würde. Zudem wird er Beruf Bäcker immer weniger ausgebildet, sodass hier auch eine Lücke gefüllt wird.

Kind im Irak chancenlos

Und gerade die Krankenkasse ist für die Familie wichtig. Der vierjährige Sohn Navel leidet unter der seltenen Krankheit Thalassämie: Als Thalassämien werden Erkrankungen der roten Blutkörperchen bezeichnet, bei denen durch einen Gendefekt das Hämoglobin nicht ausreichend gebildet oder gesteigert abgebaut wird. Bleibt sie unbehandelt, führt sie bereits im frühen Kindesalter zum Tod. Deshalb benötigt Navel in der MHH in gewissen Zeitabständen eine Bluttransfusion. Eine solche Behandlung wäre im Irak für ihn nicht möglich, sodass der Ausgang des Rückzuges der Familie in den Irak für ihn wohl schon vorbestimmt sein dürfte.

Forderung der Behörde

Der Ausgang ders Verfahrens über die Ausreise ist vollkommen offen – Foto: JPH

Bei der Vorsprache beim der Ausländerbehörde wurde Hajie mitgeteilt, dass er ja über keine Pässe verfüge und Kopien nicht relevant seien. Die Originale, so Hajie, seien auf der Flucht verloren gegangen und er habe nach Aufforderung der Behörde neue beantragt und bezahlt bei der irakischen Botschaft. Die Papiere aber sollen nach schriftlicher Auskunft der Botschaft nicht vor Ende 2025 ausgestellt werden können. Diesen Beleg übersandte Hajie der Behörde nach Erhalt, die trotzdem die Ausreise anordnete.

Gleichzeitig eröffnete man ihm, dass er vielleicht nach Paragraph 25 B des Ausländergesetzes in Deutschland weiter arbeiten dürfe, seine Familie aber trotzdem in den Irak zurück müsse. Gleiches könne für seine Frau auch gelten, wenn sie eine Arbeit annähme. Das aber ist aufgrund der familiären Umstände natürlich noch nicht möglich: Navel kann wegen seiner Erkrankung nicht am Kindergartenessen teilnehmen – muss also nach Hause gehen – und das zweijährige Kleinkind Nival geht noch nicht in die Kita. Argumente, die die Ausländerbehörde offensichtlich nicht überzeugten. Das Lösungsangebot, Saoud Semu allein in Deutschland zu belassen und die übrige Familie Hajie in den Irak zu schicken, ist für den Familienvater keine Alternative. „Deutschland ist unsere Heimat, hier leben Eltern, Geschwister und Familie, der Bruder seit 2007 die Eltern seit 2014“, so der Familienvater. „Meine Familie geht nicht allein zurück.“

Iltener Ortsführung entsetzt

 „Es ist unglaublich“, so die Ehrenortsbürgermeisterin Neuse. „Es kann doch nicht sein, dass wir in die Region Hannover verletzte und kranke Kinder aus Gaza holen, die hier lebenden und integrierten kranken Kinder, die hier auch geboren wurden, und ihre Familien wegschicken. Und dass man dann auch noch die Familien trennen will.“ Dem pflichtet auch der Ortsbürgermeister Sandy Steve Choitz bei: „Hier zieht man am falschen Ende der Leine. Der Vater arbeitet hier für seine Familie und liegt niemandem auf der Tasche. Das ist der falsche Ansatz bei der Abschiebung.“

Unabhängig, dass die (christlichen) Jesiden in moslemischen Ländern teilweise verfolgt und unterdrückt werden und deshalb eigentlich zu geschützten Minderheiten in Deutschland gehören, wurde dies im Verfahren bisher nicht berücksichtigt und der Ausgang des Verfahrens vor der Ausländerbehörde ist noch vollkommen offen – ob es eine Abschiebung ohne Papiere geben kann aber auch.

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2 Gedanken zu „Gut integrierte jesidische Familie aus Ilten soll abgeschoben werden

  1. Nein, die Familie wird nicht getrennt, wenn sie in den Irak zurück müssen. Als Familie zählt die Kernfamilie, Vater, Mutter und minderjährige Kinder, nicht Bruder, Tanten, Onkel usw. Sie kamen erst 2019 nach Deutschland, also lange nach dem Genozid und auch nach der Niederschlagung des IS, einen Fluchtgrund hatten sie da nicht mehr. Es geht ihnen wie so vielen Irakern, die in den letzten Jahren ihr Land verlassen haben: sie kamen, weil sie sich einen besseren Lebensstandard und bessere Perspektiven wünschten, nur….das ist kein Asylgrund. Und es ist auch kein Asylgrund, wenn die Verwandtschaft in Deutschland lebt. Bei fast jeder Abschiebung einer Familie gibt es einen Aufschrei, es werden Petitionen und Härtefallanträge gestartet. Wann sieht man endlich ein, dass ein Härtefall eine absolute Ausnahme sein muss und sich nicht begründen kann, dass Kinder in die Schule gehen oder jemand eine Arbeit aufgenommen hat. Eine Einwanderung über das Asylsystem mit abgelehntem Asylantrag darf es einfach nicht geben. Es sind viel zu viele hier, die eigentlich nicht hier sein sollten, sei es durch Arbeit oder Ausbildung. Das sollten denen vorbehalten sein, die sich an die Regeln halten und mit entsprechendem Visum einreisen. Deutschland hat Millionen Menschen aufgenommen, von denen nur ein Teil einen Schutzstatus erhielt, die anderen sollten gar nicht mehr hier sein. Niemand kann mir erzählen, dass der Vater als Bäcker eine 6köpfige Familie ohne zusätzliche öffentliche Gelder unterhalten kann, dazu zählen auch eine Sozialwohnung oder Wohngeld. Hört endlich auf, arabischen Familien ohne Bleibegrund einen Aufenthalt zu gewähren!

  2. Hallo Herr Weissig,
    die Familientrennung offensichtlich nicht verstanden. Also noch mal nachlesen. Zweitens: schon mal was von Jesiden gehört, die in Deutschland einen speziellen Schutzstatus haben?

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