Im Jahr 2035 werden die Abendsegler aus Deutschland verschwunden sein!

Im Jahr 2035 werden die Abendsegler aus Deutschland verschwunden sein: Mit diesen Worten schloss Roland Heuser, Diplombiologe aus Trier seinen Vortrag zur Problematik von Fledermäusen und Windenergie am Freitag, 05.07.2019 im Gemeindehaus der evangelisch-lutherischen Kirche in Sehnde. Er hatte seine, größtenteils aus Fachpublikum bestehende Zuhörerschaft den ganzen Abend über mit neuesten Informationen und Entwicklungen aus diesem Spannungsfeld von Naturschutz und Energiewende in seinen Bann gezogen.

Roland Heuser (v.li.) trug zum Thema Fledermäuse und Windenergie vor – Foto: A. Thomeier

Gekommen waren neben Interessierten aus Hannover und Sehnde viele Fledermaus-Betreuer aus der ganzen Region Hannover. Heuser erläuterte, dass das Unfallrisiko durch Verkehr und Windenergieanlagen (WEA) ganz verschiedene Fledermaus Arten betrifft. Man könne diese beiden Haupttodesursachen von Fledermäusen in Deutschland nicht gegeneinander aufwiegen oder dadurch relativieren. Hauptsächlich aber arbeitete der erfahrene Gutachter und Fledermauskundler an diesem Abend die Gefahren für die Fledermausbestände in Deutschland heraus, die durch unerfahrene und schlecht ausgebildete Gutachter sowie durch die immer größer werdenden Windenergieanlagen entstehen.

Von der Bundesregierung selbst in Auftrag gegebene Studien hatten nachgewiesen, dass ungeregelt betriebene und schlecht platzierte WEA für den Tod von etwa 200 000 Fledermäusen jährlich verantwortlich sind. Zusätzlich kann die neue Generation der Windrad-Giganten mit 200 Metern Höhe nicht mehr von Fledermaus-Detektoren überwacht werden. Er wies diesen Umstand anhand von Forschungsergebnissen und physikalischen Gesetzmäßigkeiten nach. Laut Heuser sind daher die Untersuchungsmethoden, auf denen die gerichtlichen Entscheidungen und die Genehmigungsbescheide beruhen, nicht in der Lage, sichere Daten über die Fledermaus-Vorkommen in den Windparks zu generieren.

Diese sehr niederschmetternden Forschungsergebnisse werden hoffentlich in näherer Zukunft auch internationale und nationale Beachtung finden. Da technische Lösungen mittlerweile die Überwachung der Fledermaus-Vorkommen nicht mehr sicherstellen können, forderte Heuser im Vortrag, nach dem Vorsorgeprinzip des Umweltschutzes zu handeln. Demnach müsste jede WEA in Deutschland mit den maximal sicheren Abschaltzeiten betrieben werden. Das würde hunderttausend Tieren das Leben retten, aber nur etwa zwei bis drei Prozent des jährlichen Energieertrages kosten. Es müsste nur bei ertragsarmen Windverhältnissen und in den Nächten abgeschaltet werden. Aber diese Abschaltzeiten werden seitens der Windanlagen-Industrie vehement bekämpft, so Heuser.

Fledermäuse sind wegen ihrer Art zu jagen besonders bedroht – Foto: Pixabay

Windparkbetreiber und Projektierer streiten um jeden Cent und jede Betriebsminute, obwohl sie hohe öffentliche Fördersummen erhalten haben, trug Heuser vor. Die Folgen dieser Haltung ließen sich schon an vielen Orten in Deutschland beobachten. In den traditionellen Quartieren der Abendsegler, der größten und von WEA am meisten gefährdeten Fledermausart in Deutschland, lässt sich deutlich ein starker Rückgang der Bestände auszählen. Auch die Rauhaut-Fledermaus ist mittlerweile bedroht. Selbst die noch häufigste Fledermausart, die Zwergfledermaus, zeigt abnehmende Bestände in Gegenden, in denen viele Windräder stehen. Das zeigten auch die Kontrollen der Windräder auf Sehnder Gebiet und den Flächen zwischen Lehrte und Sehnde, so Heuser.

Schreibt man diese Entwicklung in die Zukunft fort, werden die Abendsegler in Deutschland bis 2035 verschwunden sein, prognostizierte der Referent. Es besteht, insbesondere bei bestehenden Altanlagen, dringender Handlungsbedarf im Sinne der Arterhaltung und des Artenschutzes. Der Biologe ging auch auf den Windpark Lehrte-Sehnde ein, den er aus seiner Zeit in Niedersachsen noch persönlich kennt. Er hatte die extrem vielen Totfunde begleitet und den NaBu bei der ehrenamtlichen Suche mit Rat und Tat unterstützt. Besonders die Tatsache, dass seitens der Naturschutzbehörden hier nichts getan würde, um nachträgliche Abschaltzeiten anzuordnen, hatte er jüngst bei einer Fachtagung in Berlin seinen Kollegen vorgestellt und erntete vielfach entsetztes Kopfschütteln.

Aber ein neues Urteil des OVG Lüneburg vom April dieses Jahres zu erforderlichen Abschaltzeiten und die mögliche Bedrohung von Vögeln und Fledermäusen lässt Heuser hoffen. Es müsse jetzt dringend etwas getan werden, ansonsten werden ab Juli wieder viele Fledermäuse im Windpark Lehrte-Sehnde sterben, so der Diplombiologe.

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