Ankauf einer Immobilie als Klimazentrum – kontroverse Debatte im Stadtrat

Der Rat der Stadt Sehnde hat in seiner Sitzung am Donnerstag, 7. Mai 2020, dem Ankauf einer Immobilie für ein Klimazentrum in Sehnde zugestimmt. Die Ausgaben in Höhe von insgesamt 174 000 Euro, also 155 000 Euro zuzüglich Nebenkosten, wird aus Haushaltsmitteln der Stadt Sehnde getragen. Die Mehrausgaben werden durch zu erwartende Minderausgaben im Investitionshaushalt gedeckt. Allerdings hat es dazu zahlreiche Diskussionsbeiträge, Fragen und Zweifel gegeben. Deshalb hat die Stadtverwaltung Sehnde nun eine Darstellung des Projekts und eine Beantwortung von gestellten Fragen für die Bürger zusammengestellt.

Wie kommt es zu dem Projekt?

Das Förderprogramm „Klimaschutz im Alltag“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit unterstützt im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) mit dem Verbundprojekt „GutKlima“ eines von bundesweit neun Modellprojekten. Die fördern einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer klimagerechten Lebensweise. Der Projektanteil von Sehnde ist in Bolzum im Dorfladen angesiedelt.

Das Gebäude soll das zukünftige Klimazentrum von Sehnde beherbergen – Foto: JPH

Das Projekt befindet sich seit November 2019 in der Umsetzungsphase und verfolgt jetzt das Ziel, die Pläne, Ideen und Initiativen, die in der ersten Phase des Projektes entwickelt wurden, modellhaft zu erproben, umzusetzen und zu verstetigen. Zentrales Element ist dafür die Einrichtung eines Klimazentrums für Sehnde im Stadtteil Bolzum.

Kulminationspunkt für GutKlima

Dieses Klimazentrum bildet den Kern des Aktionsplans, der das Ergebnis der ersten Projektphase darstellt und dem der Rat der Stadt Sehnde im Rahmen der Sitzung vom 26.09.2019 zugestimmt hat. Hier sollen die einzelnen Bürger-Projekte eine Verortung finden. Und es wird ein Treffpunkt für positiv besetzten und gelebten Klimaschutz geschaffen. Alle investiven Maßnahmen, die im Rahmen des Vorhabens geplant sind, haben Anknüpfungspunkte im und am Klimazentrum. Das geht von einer beispielhaften energetischen Sanierung des Gebäudes, über die Einrichtung eines Seminarraumes für die „Dorfhochschule“, die Erstellung einer integrierten Ausstellung zum Thema Klimaschutz im Alltag bis hin zum Standort einer geplanten Elektrodrehscheibe, Werkstattfläche für das Repair-Café; Klimakisten für Kindergärten und einem offenen Bücherschrank.

Das Klimazentrum Sehnde soll sich so zu der zentralen Anlaufstelle für alle Aktivitäten und Informationen rund um die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Stadt Sehnde entwickeln. Und zugleich zu einem regional bedeutsamen Leuchtturmprojekt für Klimaschutz im ländlichen Raum werden. Es soll

  • zentrale Handlungsfelder im Klimaschutz greifbar machen,
  • vorhandenes ehrenamtliches Engagement zentralisieren und teilen,
  • zukunftsfähige Dorf-Innenentwicklung aufzeigen,
  • nachhaltige Lebensstile initiieren,
  • lokale Kreisläufe nutzen,
  • als Impulsgeber und Wissenstransferstelle für andere Orte und Regionen dienen.

In Bolzum in der Boltessemstraße 2 steht eine dafür geeignete Immobilie zur Verfügung. Ihr  Erwerb wurde kurzfristig möglich. Der Ankauf der Immobilie kann nicht über das vom Bund geförderte Projekt finanziert werden. Aber über das Projekt GutKlima können die Sanierung sowie die Ausstattung des Klimazentrums bezuschusst werden. Hierzu wurden Mittel in Höhe von rund 263 000 Euro beim Bundesumweltministerium beantragt.

Bürgermeister Olaf Kruse bezieht Stellung zur Planung

In der Ratssitzung wurden zahlreiche Fragen und Statements abgegeben, zu einigen von ihnen bezieht der Bürgermeister Olaf Kruse Stellung.

Der Dorfladen in Bolzum ist derzeit das „GutKlima-Zentrum“ – Foto: JPH

Warum erwirbt die Stadtverwaltung aus den eigenen Haushaltsmitteln eine Immobilie für das Projekt „GutKlima“?

Weil die Stadt sich politisch für das Projekt einsetzt und dieses unterstützt. „Gutklima: Gutes Klima im Dorf – klare Zukunft im Blick. Bolzum auf dem Weg zur KlimaNachbarschaft“, ist der lange, aber komplette Name des Projektes. Es geht vom Dorfladen Bolzum und der Stadtverwaltung Sehnde mit zahlreichen Unterstützern, wie der Region Hannover und der evangelischen Kirchengemeinde Bolzum aus.

Basis für die Förderung ist ein Aktionsplan mit verschiedenen Vorhaben. Zentrales Element ist die Einrichtung eines Klimazentrums als Anlaufstelle rund um die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Dem hat der Rat der Stadt Sehnde bereits im September vergangenen Jahres zugestimmt.

Nach den Förderungsregularien des BMU kann der Kauf der Immobilie nicht über das Projekt GutKlima abgewickelt werden. Die Stadt in der Rolle als Käuferin bietet hier eine Sicherheit für alle beteiligten Kooperationspartner. Es war immer klar, dass eine Immobilie für das Klimazentrum noch gefunden werden muss. Die Möglichkeit des Erwerbs des Gebäudes in der Boltessemstraße ist hier einfach eine glückliche Fügung. Eine zügige Kaufentscheidung als Grundlage für die weitere Entwicklung des Gebäudes und des Projektes war notwendig und es wäre schade gewesen, wenn diese Gelegenheit nicht genutzt worden wäre. Das hat am Ende die Mehrheit des Rates auch so gesehen.

Warum wurde eine Immobilie in Bolzum gewählt und nicht in einem der anderen Stadtteile?

Bolzum ist Modellort für das Projekt GutKlima. Das Grundstück mit Immobilie war dort verfügbar und preislich in Bezug auf Grundstücksgröße angemessen. Außerdem befindet sich die Immobilie in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dorfladen als Keimzelle des Projekts. Immerhin sind fast 100 ehrenamtlich tätige Menschen aus Bolzum und den Nachbarorten dabei. Andere Stadtorte wurden betrachtet, ein anderer Standort für das Klimazentrum war nicht ausgeschlossen. Aber hier hat einfach alles gepasst.

Alle Stadtteile werden davon profitieren und können die Angebote nutzen. Das Klimazentrum ist für die gesamte Stadt Sehnde und befindet sich im Stadtteil Bolzum. Ortsgrenzen zu ziehen wäre faktisch falsch, da es um Sehnde geht..

Außerdem betont der Bürgermeister, dass die Strahlkraft dieses Projektes weit über Sehnde hinausgehen kann. Auch unsere Nachbarkommunen werden davon profitieren, Angebote nutzen, sich beteiligen und vielleicht ergibt sich der ein oder andere Nachahmungseffekt.

So könnte das mögliche Zentrum aussehen – Grafik: visuranto.de

Das erworbene Gebäude ist sanierungsbedürftig. Wer soll das zahlen und wäre nicht ein Neubau sinnvoller gewesen?

Das alte Gebäude bietet eine perfekte Vorlage und kann bereits im Verlauf der geplanten nachhaltigen und klimagerechten Sanierung als Anschauungsobjekt dienen. Ein energetisch entwickelbares Haus mit Geschichte – diese Immobilie hat Vorteile, die ein Neubau sich erst „erarbeiten“ müsste. Es zeigt dann als Altbau Lösungen für vorhandene Häuser auf, die renoviert und modernisiert werden sollen.

Über die Bundesmittel hat das Projekt GutKlima bereits Zuschüsse in Höhe von rund 263 000 Euro für die Sanierung und die Ausstattung des Klimazentrums beim BMU beantragt. Weitere Förderanträge werden folgen. Denn der Ankauf der Immobilie war nur der erste Schritt. Nun ist es Aufgabe der Kooperationspartner, gemeinsam tragfähige Konzepte für die Sanierung zu erstellen, weitere Partner und Unterstützer zu gewinnen und die künftige Nutzung und langfristige Finanzierung zu planen.

Der Immobilienkauf diente der Schaffung einer Basis. Weitere Kosten sind zunächst nicht geplant und alles ist mit einem Zustimmungsvorbehalt versehen. Die Politik will das Projekt begleiten, sich aber auch sicher sein, die Steuermittel sinnvoll zuverwenden. Das Klimazentrum soll sich langfristig selbst tragen und der Betrieb soll über engagierte Bürger organisiert werden. Da wäre ein Dorf-Verein denkbar.

Welche Nutzungen sind bereits jetzt vorgesehen oder geplant? Was haben die Sehnder*innen persönlich davon?

Die Handlungsfelder und Aktivitäten sind bereits in der Drucksache genannt. Insgesamt gehen die Planer davon aus, dass das Klimazentrum allen interessierten Sehnder und Sehnderinnen als Anlaufpunkt und Wissenstransferstelle zur Verfügung stehen wird. Dort sollen Angebote und Informationen zentral abgerufen werden können.

Es beinhaltet auch Räume für Beratungen, Schulungen, Co-Working und Ausstellungen, Werkstattflächen, ein Repair Café und ein offener Bücherschrank. Das sind nur einige der derzeitigen Ideen. Es liegt bereits eine sehr anschauliche Zeichnung zur „Vision“ Klimazentrum, die Grit Koalick von der Firma Visuranto gefertigt hat.

„Ein Haus als Ort der Begegnung, für Informationen und Aktivitäten rund um den Klimaschutz im ländlichen Raum ist ein regional bedeutsames Leuchtturmprojekt in Bolzum und damit in Sehnde.  Und zudem bislang einmalig in der Region Hannover“, so Bürgermeister Kruse.

Anzeige
Werben Sie bei Sehnde-News